Barrierefreiheit im Internet: Pflicht ab 2025

Ja, ihr habt richtig gelesen. Barrierefreiheit wird im Internet ab 2025 Pflicht. Bevor ihr Panik bekommt: Nicht für alle Unternehmen. Und nicht für alle Websites oder Web-Apps. Grundsätzlich ist vorerst auch nur der B2C-Bereich zur Barrierefreiheit verpflichtet. (Aber dazu weiter unten mehr.)

Voll digital MitarbeiterInnen im Gespräch
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8 Minuten

Wusstet ihr, dass …

laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland mehrere hunderttausend Menschen mit Einschränkungen (z.B. beim Hören, Sehen und Verstehen) leben?

Und zusätzlich über 6,2 Millionen Erwachsene, die nicht richtig Deutsch lesen und schreiben können?

Klar ist:

Barrierefreie Websites sind extrem wichtig, um allen Menschen die einwandfreie Nutzung zu ermöglichen.

Ihr wollt wissen, ob ihr vom neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betroffen seid?

Bis wann die Barrierefreiheit umgesetzt sein muss?

Welche Konsequenzen es bei einem Verstoß geben wird?

Wie eine barrierefreie Website ab 2025 aussehen muss?

Und warum es sich auch ohne Pflicht lohnt, eure Web-Produkte wie Website oder Web-Apps jetzt barrierefrei zu machen?

Wir liefern euch alle Infos rund um die Pflicht zur Barrierefreiheit im Internet ab 2025.

Das erwartet euch:

  1. BFSG – Das neue Gesetz im Überblick

  2. Wie setzt ihr Barrierefreiheit im Internet um?

  3. Diese barrierefreie Website haben wir schon umgesetzt

  4. Welche Unternehmen sind zur Barrierefreiheit verpflichtet?

  5. Gibt es Ausnahmen bei der Verpflichtung?

  6. Bis wann muss die Barrierefreiheit umgesetzt sein?

  7. Wer kontrolliert die Umsetzung zur Barrierefreiheit?

  8. Wie könnt ihr testen, ob eure Website schon jetzt barrierefrei ist?

  9. Fazit – Was müsst ihr euch merken?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) im Überblick

Das BFSG – das gewissermaßen für die Barrierefreiheit-Pflicht ab 2025 verantwortlich ist – ist eine Reaktion auf die EU-Richtlinie des European Accesivility Act (EAA).

Diese Richtlinie legt europaweit einheitliche Regeln zur Barrierefreiheit im Internet fest.

Das BFSG setzt diese Richtlinie in Deutschland nun in nationales Recht um.

Dabei zielt es darauf ab, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am digitalen Leben zu verbessern oder überhaupt zu ermöglichen.

Betroffen sind eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen.

Darunter auch Websites für den E-Commerce und elektronische Dienstleistungen.

Ihr seht, die Barrierefreiheit ist ein EU-Projekt, dass alle Mitgliedsländer jetzt umsetzen (müssen).

(Konkrete Beispiele, wie eine barrierefreie Website auszusehen hat, liefern wir euch weiter unten.)

Welche rechtlichen Grundlagen gab und gibt es für die Barrierefreiheit im Internet?

Klar, Barrierefreiheit im Internet ist kein neues Thema.

Behörden und öffentliche Verwaltungen zum Beispiel sind schon einige Jahre dazu verpflichtet, ihre Websites barrierefrei zu gestalten.

Und auch wir als Digitalagentur haben bereits kleine und große Website-Projekte barrierefrei umgesetzt.

Ab 2025 gelten nun grundsätzlich dieselben Grundlagen, wie vorher auch schon für den öffentlichen Sektor.

Nur eben auch für die private Wirtschaft.

Das BFSG setzt Standards, wie die Web-Content-Accessibility-Guidelines (WCAG) und die europäische Norm EN 301 549 durch.

Konkret sind in der WCAG drei Konformitätsstufen (A, AA und AAA) definiert.

  • Stufe A: ein MUSS

  • Stufe AA: ein SOLL

  • Stufe AAA: ein KANN

Die europäische Norm benennt dabei die Stufen A und AA als verbindlich, sowie die Stufe AAA als „höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit“.

Was das für eure barrierefreie Website bedeutet, haben wir euch schon kompakt zusammengefasst.

Mit konkreten Beispielen und Tipps aus unserer Praxis.

Wie wird Barrierefreiheit im Internet umgesetzt?

In Deutschland leben laut des Statistischen Bundesamtes rund 7,8 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung (Stand 2022).

Dies entspricht fast 10 % der Bevölkerung.

Um diesen Menschen gerecht zu werden, ist es wichtig, dass Websites den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechen.

Welche Aspekte eine barrierefreie Website aufweisen muss, ist dabei in unterschiedlichen Richtlinien festgelegt.

Wie etwa in:

  • Internationaler Standard: Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

  • Deutsche Verordnung: Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV)

  • Europäische Norm: EN 301 549

Dabei beinhalten alle drei Richtlinien ähnliche Aspekte zur Barrierefreiheit im Internet.

Ihr seid also jetzt schon auf der sicheren Seite, wenn ihr eure Website auf Basis der BITV oder der WCAG barrierefrei gestaltet habt.

Das ist bisher meistens für Behörden, Ämter, aber auch in größeren Konzernen der Fall.

Wichtig:

BITV umfasst vor allem Anforderungen für öffentliche Stellen des Bundes, wohingegen die WCAG hauptsächlich für die private Wirtschaft relevant sind.

In unserer Checkliste für barrierefreie Websites haben wir euch kompakt die wichtigsten Anforderungen zusammengefasst.

Diese barrierefreie Website haben wir schon umgesetzt

Ihr wollt sicherlich auch mal eine barrierefreie Website sehen, die wir schon umgesetzt haben, oder?

Der FUTUR21 – Website-Relaunch

Unser Kunde, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), kam zu uns mit dem Wunsch nach einem Website-Relaunch.

Ein Hauptaugenmerk sollte dabei auf jeden Fall die Barrierefreiheit sein.

Welche Anforderungen haben wir also umgesetzt?

  • VOLLständige Tastaturbedienbarkeit

  • Deutsche & Englische Sprache

  • Funktion für eine einfache Sprache

  • Optimale Kontraste für Farben und Grafiken

  • Eine klare und einfache Website-Struktur, die perfekt von Screenreadern gelesen werden kann

Diese Anforderungen sind typisch für barrierefreie Websites.

Welches CMS haben wir dafür gewählt?

Ganz klar: Statamic.

Warum?

Das CMS bietet viele Funktionen eines Headless-CMS und hat uns in vielerlei Hinsicht überzeugt.

Durch die Headless-Funktionen konnten wir den Relaunch ohne Frontend realisieren.

Das hat die Nutzung auf verschiedenen Plattformen vereinfacht.

Wenn ihr die Futur21 Website selbst erkunden möchtet, könnt ihr gerne einen Blick darauf werfen!

Responsive Design Futur21 barrierefreie Website

Welche Herausforderungen stellen verschiedene Behinderungen beim Internetzugang dar?

Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Einschränkungen, die Menschen bei der Nutzung des Internets beeinträchtigen können.

Hier sind einige Beispiele, die ihr bei eurer Website oder Web-App auf jeden Fall beachten solltet:

EinschränkungSchwierigkeiten im Internet ...Aspekte für barrierefreie Websites
Motorische Beeinträchtigung... beim Klicken von kleinen Buttons oder beim tippen auf der TastaturGroße Buttons. Vollständige Bedienung über die Tastatur. Tastaturkürzel für wichtige Funktionen.
Visuelle Beeinträchtigung... beim Lesen von Texten oder Erkennen von GrafikenAlternative Texte für Bilder. Kontrastreiche Farbgestaltung. Skalierbare Schriftgrößen für leichtere Lesbarkeit.
Auditive Beeinträchtigung... beim Hören von Audioinhalten oder Benachrichtigungen.Untertitel für Videos. Transkriptionen für Audioinhalte. Visuelle Hinweise für akustische Signale und Benachrichtungen.
Kognitive Beeinträchtigung... beim Verstehen von komplexen Informationen oder beim Erinnern von AbläufenKlare und leichte Sprache. Strukturierte und übersichtliche Inhalte. Unterstützende Bilder und Grafiken. Vermeidung von übermäßiger Komplexität in Navigation und Interaktion.

Wer ist von den neuen Regelungen zur Barrierefreiheit betroffen?

Bevor ihr jetzt alle Hebel in Bewegung setzt:

Das neue BFSG soll grundsätzlich nur den Endverbraucher schützen.

Demnach sind nur Unternehmen im B2C-Bereich zur Barrierefreiheit verpflichtet.

Also Dienstleister:innen mit Endkunden wie Ärzte, Friseure etc.

(z.B. wenn sie Onlinetermin-Buchungen oder Kontaktformulare anbieten).

Für B2B-Unternehmen gilt:

Es muss eindeutig sein, etwa bei dem Aufruf einer Website, dass sie sich nur an Unternehmen richtet und nicht an Endverbraucher.

Ihr seid ein B2C-Unternehmen und habt bei eurem letzten Website-Relaunch schon alle Mindestanforderungen an die Barrierefreiheit umgesetzt?

Dann müsst ihr nichts weiter tun.

Allen anderen Unternehmen empfehlen wir, bald mit der Überarbeitung zu beginnen.

Keinen Unterschied macht das neue Gesetz bei unterschiedlichen Branchen.

Es sind auch Unternehmen, wie etwa E-Commerce, Banken, Personenbeförderungs-Dienstleister oder Mediendienste zur Barrierefreiheit verpflichtet.

Gibt es Ausnahmen bei der Verpflichtung zur Barrierefreiheit?

Ja, die gibt es.

Und zwar sind Kleinstunternehmen vom BFSG ausgenommen.

Das bedeutet per Definition, dass Unternehmen, mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 2 Millionen Euro oder einer Jahresbilanzsumme von maximal 2 Millionen Euro.

Aber Achtung: Konkret bedeutet das, wenn ihr auch nur ein (!) Kriterium nicht erfüllt (Beschäftigtenanzahl oder Jahresumsatz, -Bilanzsumme), seid ihr nach dem BFSG dazu verpflichtet, euren Internetauftritt barrierefrei zu gestalten.

Dabei ist es egal, ob ihr Dienstleistungen anbietet, die für das BFSG relevant sind.

3 Beispiele für B2C-Unternehmen …

  1. 1

    Ihr habt 6 Mitarbeitende, einen Jahresumsatz von 1,5 Millionen und eine Jahresbilanzsumme von 1,6 Millionen Euro

    → Dann seid ihr ab 2025 nicht zur Barrierefreiheit verpflichtet.

    Grund: Unter 10 Mitarbeitende und Jahresumsatz, -Bilanzsumme ist unter 2 Millionen

  2. 2

    Ihr habt 10 Mitarbeitende und einen Jahresumsatz von 1,6 Millionen Euro

    → Dann seid ihr ab 2025 zur Barrierefreiheit verpflichtet.

    Grund: Mindestens 10 Mitarbeitende

  3. 3

    Ihr habt 5 Mitarbeitende und eine Jahresbilanzsumme von 3 Millionen Euro

    → Auch ihr seid zur Barrierefreiheit verpflichtet.

    Grund: Jahresbilanzsumme ist größer als 2 Millionen Euro

Zeitplan für die Umsetzung: Wann müssen Websites und Apps barrierefrei sein?

Der Stichtag für die Umsetzung des BFSG ist der 28. Juni 2025.

Ab diesem Datum müssen alle neuen Inhalte auf Websites barrierefrei sein.

Naja, fast.

Denn es gibt eine Übergangsregelung.

Bestehende Inhalte, die VOR diesem Datum veröffentlicht wurden, müssen erst bis Mitte 2030 angepasst werden.

Beachtet: Je nach Umfang einer Website kann eine vollständige Website-Erstellung von Konzept bis Veröffentlichung mehrere Monate dauern.

Deshalb plant genügend Zeit ein und lasst eure Website frühzeitig anpassen und optimieren.

(Es schadet ja auch nicht, wenn eure Website vor dem Stichtag barrierefrei ist.)

Kontrolle und Durchsetzung der Barrierefreiheit im Internet

Und was, wenn ihr das Thema Barrierefreiheit ab 2025 ignoriert?

In Deutschland liegt die Verantwortung für die Kontrolle und Umsetzung der Barrierefreiheit im Internet bei der Marktüberwachungsbehörden.

Diese Behörden überwachen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und prüfen alle relevanten Dienstleistungen, die zur Barrierefreiheit verpflichtet sind.

Wird ein Verstoß festgestellt, wird das Unternehmen informiert und eine Frist zur Überarbeitung gesetzt.

Kommt das Unternehmen der Anordnung, die Barrierefreiheit wiederherzustellen, nicht nach, droht eine Strafe.

Diese Strafe kann die vorübergehende Einstellung des Geschäftsbetriebs oder ein Bußgeld von bis zu 100.000 € umfassen.

Deshalb solltet ihr sicherstellen, dass eure Website oder eure Web-App den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Zumindest, solange ihr nach dem BFSG dazu verpflichtet seid.

Barrierefreiheit Test: Ist eure Website schon bereit für 2025?

Ob eure Website bereits jetzt alle Anforderungen des BFSG entspricht, kann euch ein Test zur Barrierefreiheit sagen.

Der BITV-Test der Initiative BIK (barrierefrei informieren und kommunizieren), ist hierbei in Deutschland der wichtigste Test.

Er prüft eure Website auf alle Anforderungen, die in der BITV definiert sind.

Für den internationalen Raum bietet die Initiative BIK auch einen Test für die Anforderungen nach den WCAG.

Dabei bietet sich der BITV-Test vor allem für öffentliche Einrichtungen, während der Test nach WCAG für private Unternehmen eher relevant ist.

Nach Durchführung einer der beiden Tests erhaltet ihr entweder ein Prüfsiegel oder Hinweise zur Optimierung eurer Website.

Diese beiden Tests beginnen allerdings bei rund 400 €, je nach dem Umfang und der Komplexität eurer Website.

Florian Ziegler von VOLL

Gibt es auch kostenlose Tests?

Gute Nachricht: Ja, die gibt es.

Mit der BITV / WCAG Selbstbewertung der Initiative BIK, werden neben den kostenpflichtigen Tests auch kostenlose Tests angeboten.

Mit dem Test könnt ihr selbst eure Website nach BITV oder WCAG testen und einen ersten Eindruck erhalten, was ihr noch anpassen müsst.

Ein weiterer kostenloser Test ist zum Beispiel der WAVE Accessibility Checker von Webaim.

Der Test prüft eure Website auf alle Anforderungen nach WCAG und gibt euch Handlungsempfehlungen bei Unstimmigkeiten.

Wollt ihr eine gründlichere Einschätzung von Expertinnen und Experten, empfiehlt sich aber ein kostenpflichtiger Test.

Fazit: Was müsst ihr euch merken?

Das Wichtigste: 28. Juni 2025.

Bis dahin muss eure Website oder eure Web-App (solange ihr nach dem BFSG verpflichtet, also kein reines B2B-Unternehmen oder Kleinstunternehmen, seid) barrierefrei sein.

Habt ihr die Anforderungen nach der BITV oder nach WCAG bereits berücksichtigt, müsst ihr vermutlich kaum oder gar nichts anpassen.

Damit ihr aber keine hohe Strafe riskiert, solltet ihr euch bis zum Stichtag eure Website nochmal genau ansehen und gegebenenfalls von Expertinnen und Experten überprüfen lassen.

Und falls ihr Anpassungen vornehmen müsst, dann sprecht rechtzeitig mit eurer Agentur.

Denn die Zeit vergeht schnell und Anpassungen oder ein kompletter Relaunch eurer Website kann einige Zeit dauern.

Zuletzt aktualisiert:

20. November 2024

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Bei VOLL haben wir über 16 Jahre Erfahrung bei der Entwicklung von barrierefreien Websites sowie bei der Implementierung von technischen Web- und SEO-Strategien, die die Lead-Generierung und das Ranking von Webseiten stärken.

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Portraitfoto von Sabine Härtel, Marketing-Mensch bei VOLL
Autorin
Sabine, Digitalexpertin

Unsere erfahrene Digitalexpertin Sabine ist seit mehr als 4 Jahren Mitglied des VOLL-Teams und hat sich auf die Themen barrierefreie Websites, Corporate Websites und Web-Apps spezialisiert.

Mit einem neugierigen Blick auf die (digitale) Welt saugt Sabine alles auf, was für die Lesenden interessant sein könnte und fuchst sich dabei stets in neue Themen, Strukturen oder Tools ein. Immer mit dem Ziel, die besten und interessantesten Beiträge zu schreiben.